Januar 2025

Business mit Herz: Wie Emotionen die Zusammenarbeit transformieren können

Haben Gefühle und Bedürfnisse Platz im Geschäftsleben? Diese Frage taucht in unseren Seminaren nicht selten auf und sie erstaunt mich immer wieder. Denn ich kann mir eine Arbeitswelt ohne Gefühle und Bedürfnisse nicht vorstellen und kenne auch keinen entsprechenden Arbeitsplatz. Gerade dann, wenn es darum geht, Probleme zu lösen oder Konflikte zu bewältigen, sind Gefühle und Bedürfnisse omnipräsent und unverzichtbar, wie folgendes Beispiel zeigt:

Ratlosigkeit wegen schlechter Stimmung im Team

Vor ein paar Jahren wurde ich angefragt, ein Team zu begleiten, das im Zuge einer Reorganisation einen neuen Vorgesetzten bekommen hatte. Bei einer früheren Mitarbeiterbefragung kritisierten das Team bereits eine mangelnde Wertschätzung vom Vorgesetzten. Da sich immer mehr Frust anstaute und das Feindbild “Chef” wuchs, sollte nun ein Teamworkshop Klarheit in die Situation bringen.

Um mir ein detailliertes Bild zu verschaffen, sprach ich zuerst mit dem neuen Vorgesetzten unter vier Augen. Er meinte: «Aus meiner Sicht stimmt es nicht: ich lobe meine Mitarbeitenden oft und bedanke mich auch, wenn jemand sich für die Firma einsetzt». 

Wertschätzung zeigt sich in vielen Facetten 

Als nächstes suchte ich das Gespräch mit dem Team, ohne Anwesenheit des Vorgesetzten. Ich war entschlossen herauszufinden, was die konkreten Steine des Anstosses waren. Im Teammeeting prüfte ich, ob der Frust wirklich durch die fehlende Wertschätzung entstand, was das Team einstimmig bejahte. Danach war jede Person aus der Gruppe aufgefordert ein konkretes Verhalten zu benennen, welches ihr Bedürfnis nicht erfüllte. Ich sammelte alle Aussagen auf einer Pinwand. Nachdem mehrere Punkte genannt waren, erwähnte eine Mitarbeiterin: «Mein neuer Chef hat mich noch nie gegrüsst.» Ein Raunen ging durch die Gruppe. Offenbar war das für mehrere Personen ein wunder Punkt. «Ja», sagte eine weitere Person «Er kommt zur Türe herein und verschwindet sofort in seinem Einzelbüro – ich kann ihn kaum etwas fragen!» Ein anderer meinte: «Der interessiert sich überhaupt nicht für uns – er kennt nicht einmal alle beim Namen.» Ein regelrechtes Gewitter zog durch die Gruppe.

Bitte mehr Nähe und Austausch mit dem Chef

Es kristallisierte sich heraus, dass sich die Mitarbeitenden Austausch und mehr Nähe zum Chef wünschten. Sie wollten gegrüsst und mit dem Namen angesprochen werden.

Wertschätzung zeigt sich in kleine Gesten.

Daraufhin organisierte ich eine zweite Austausch-Runde, dieses Mal mit allen Beteiligten. Die Mitarbeitenden brachten zum Ausdruck, an welchem Verhalten sie sich störten. Der Punkt des Grüssens schien sehr zentral. Der Chef meinte darauf, dass er oft im Stress sei und viel zu tun habe. «Das haben wir alle!», kam es ärgerlich zurück. Nach einem sichtlichen Ringen gab der Vorgesetzte zu, dass er sich Namen nicht merken könne. Dies sei im so peinlich, dass er alles daransetze, schnellst möglich in sein Büro zu kommen. 

Es wurde still im Raum. Diese Aussage berührte die Mitarbeitenden und führte zu einer Entspannung. Vielen ging es ähnlich mit dem Merken von Namen und sie konnten das Verhalten Ihres Vorgesetzten von einem Moment auf den anderen verstehen und mit anderen Augen betrachten. Diese Information hatte die Kraft, die negativen Vorstellungen in den Köpfen der Mitarbeitenden zu entschärfen, so dass sie das Verhalten nicht mehr gegen sich gerichtet wahrnahmen. 

Später im Auswertungsgespräch erzählte mir der Vorgesetzte, dass die Mitarbeitenden Namensschilder auf ihre Arbeitstische gestellt hätten, und nun im Eingangsbereich ein Foto-MindMap vom Team mit allen Namen hänge. Es habe ihn Mut gekostet, zu seiner Schwäche zu stehen. Aber es habe sich gelohnt! Die Stimmung sei jetzt sehr viel lockerer und freundlicher. 

Mein Fazit: Emotionen gehören unbedingt ins Business. Hätte man die Gefühle ignoriert, wäre womöglich ein «Feuer» ausgebrochen. Dank dem, dass diese ernst genommen wurde, konnte der Brandherd rechtzeitig entdeckt und gelöscht werden. 

Susanne Ledergerber 


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